Täter & Täterinnen
Biografien

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Gertraud Platten­steiner

geb. 22. November 1908, Klotzsche bei Dresden
verst. 3. September 1982[1]


Gertraud Plattensteiner ist Tochter des österreichischen Heimatdichters und Volksbildners Richard Plattensteiner (1878–1956). Dieser propagiert als Wandervortragender österreichisches Volkstum in Wort und Schrift. 1906 bis 1911 verbringt Plattensteiner die Winter in der Gartenstadt Hellerau nahe Dresden, wo Tochter Gertraud zur Welt kommt. In den 1930er-Jahren tritt sie regelmäßig gemeinsam mit ihrem Vater als Rezitatorin von dessen Gedichten und Erzählungen auf.

 

Über Vermittlung des Arbeitsamts heuert Gertraud Plattensteiner 1939 bei der Zentralstelle an. Sie ist vorerst dem Leiter der Buchhaltungsabteilung Karl Grewenig, später Brunner I unterstellt. Als Verwaltungsbeamtin in der Abteilung für Vermögenssicherungen ist sie für die Sicherstellung der »Passumlage« verantwortlich. Die Zentralstelle hebt diese Gebühr für die Ausstellung von Reisedokumenten ein, auch als längst keine Ausreisemöglichkeit mehr besteht. Mindestens zweimal wohnt Plattensteiner »Kommissionierungen« im Sammellager in der Kleinen Sperlgasse bei. Ende Juli 1941 scheidet sie aus dem Dienst aus. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.

 

Im März 1942 ist Plattensteiner als Buchhändlerin beschäftigt. In diese Zeit fällt die Übersiedlung mit ihrem verwitweten Vater von Purkersdorf nach Wien 19., Dollinergasse 10. Die weitläufige Wohnung liegt in einem eleganten »arisierten« Mehrfamilienhaus, vis-à-vis des verwüsteten Dollinertempels. Die Hauseigentümerinnen, eine Witwe und deren zwei ledige Töchter, werden enteignet; keine wird die Deportation im Oktober 1942 überleben.

 

Familie Plattensteiner ist deutschnational eingestellt. Der Vater ist 1936 Gründungsmitglied des Bunds deutscher Schriftsteller Österreichs und Mitverfasser des anlässlich des »Anschlusses« herausgegebenen Bekenntnisbuchs österreichischer Dichter. Er ist zudem Ehrenmitglied der Kernstock-Gesellschaft, die sich dem Andenken des deutschnationalen Dichterkollegen widmet. Er bewirbt sich 1938 um Mitgliedschaft in der NSDAP und wird 1940 aufgenommen.

 

Tochter Gertraud ist in ihrer Ortsgruppe als Leiterin der Presseabteilung und in der NS-Frauenschaft als Stellvertretende Geschäftsleiterin aktiv. Die als sehr tüchtig und intelligent beleumundete junge Frau teilt mit ihrer Familie die Begeisterung für Ahnenkunde. Bruder Roderich Plattensteiner ist als Sippenforscher tätig, wobei das in der NS-Zeit einträgliche Geschäft nicht von langer Dauer ist. Der wegen Betrugs mehrfach Vorbestrafte wird 1941 wegen Irreführung in Schädigungsabsicht verurteilt. Um sich der Haftstrafe zu entziehen, meldet sich Roderich Plattensteiner zur Organisation Todt, die Verteidigungs- und Rüstungsanlagen baut. 1943 kommt es zu seiner erneuten Verhaftung aufgrund seiner Beteiligung an »Arisierungen« gegen hohe Geldbeträge sowie Urkundenfälschung. Während Gertrauds andere zwei Brüder zur Wehrmacht einrücken, stellt sich der Vater von 1943 bis 1945 als Wandervortragender für die Truppenbetreuung zur Verfügung.

 

Gertraud Plattensteiner wird nach Kriegsende mehrfach als Zeugin einvernommen und belastet ihre ehemaligen Kollegen schwer. 1947 gibt sie zu Protokoll, dass alle Angehörigen der Zentralstelle wussten, dass die Deportation den Tod bedeutete: Ein Fünftel der Deportierten hätte schon den Transport ins KZ nicht überlebt.

 

Gertraud Plattensteiner, die zu dieser Zeit als Journalistin arbeitet, heiratet 1956 Dr. Joachim Goldmann. Der ursprünglich aus Posen stammende Industrietechniker macht als Studioleiter beim Bayerischen Rundfunk in München Karriere. Das Paar lebt in München.

Gertraud Plattensteiner ist Tochter des österreichischen Heimatdichters und Volksbildners Richard Plattensteiner (1878–1956). Dieser propagiert als Wandervortragender österreichisches Volkstum in Wort und Schrift und trägt zur Popularisierung des steirischen Mundartdichters Peter Rosegger bei. 1906 bis 1911 verbringt Plattensteiner die Winter in der Gartenstadt Hellerau nahe Dresden,[2] wo Tochter Gertraud zur Welt kommt.[3] Zurück in Österreich, wohnt die Familie in einer Villa in Purkersdorf. Gertraud besucht, ebenso wie ihre Brüder, eine fünfklassige private Volksschule in Wien, 5., Margareten.[4] In den 1930er-Jahren tritt sie regelmäßig gemeinsam mit ihrem Vater als Rezitatorin von dessen Gedichten und Erzählungen auf.[5]


Über Vermittlung des Arbeitsamts heuert Gertraud Plattensteiner Mitte 1939 bei der Zentralstelle an.[6] Sie ist vorerst dem Leiter der Buchhaltungsabteilung Karl Grewenig, später Brunner I unterstellt.[7] Als Verwaltungsbeamtin in der Abteilung für Vermögenssicherungen ist sie für die Sicherstellung der „Passumlage“ verantwortlich.[8] Die Zentralstelle hebt diese Gebühr für die Ausstellung von Reisedokumenten ein, auch als längst keine Ausreisemöglichkeit mehr besteht. Mindestens zweimal wohnt Plattensteiner „Kommissionierungen“ im Sammellager in der Kleinen Sperlgasse bei.[9] Ende Juli 1941 scheidet sie aus dem Dienst aus. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.


Im März 1942 ist Plattensteiner als Buchhändlerin beschäftigt.[10] In diese Zeit fällt die Übersiedlung mit ihrem verwitweten Vater von Purkersdorf nach Wien, 19., Döbling, Dollinergasse 10. Die weitläufige Wohnung liegt in einem eleganten „arisierten“ Mehrfamilienhaus,[11] vis-à-vis des verwüsteten Dollinertempels.[12] Die Hauseigentümerinnen, eine Witwe und deren zwei ledige Töchter, werden enteignet;[13] keine wird die Deportation im Oktober 1942 überleben.[14]


Familie Plattensteiner ist deutschnational eingestellt. Der Vater ist 1936 Gründungsmitglied des Bunds deutscher Schriftsteller Österreichs und Mitverfasser des anlässlich des „Anschlusses“ herausgegebenen Bekenntnisbuchs österreichischer Dichter. Er ist zudem Ehrenmitglied der Kernstock-Gesellschaft, die sich dem Andenken des deutschnationalen Dichterkollegen widmet. Er bewirbt sich 1938 um Mitgliedschaft in der NSDAP und wird 1940 aufgenommen.[15]


Tochter Gertraud ist in ihrer Ortsgruppe als Leiterin der Presseabteilung und in der NS-Frauenschaft als Stellvertretende Geschäftsleiterin aktiv.[16] Die als sehr tüchtig und intelligent beleumundete junge Frau teilt mit ihrer Familie die Begeisterung für Ahnenkunde.[17] Bruder Roderich Plattensteiner[18] ist als Sippenforscher tätig, wobei das in der NS-Zeit einträgliche Geschäft nicht von langer Dauer ist. Der wegen Betrugs mehrfach Vorbestrafte[19] wird 1941 wegen Irreführung in Schädigungsabsicht verurteilt.[20] Um sich der Haftstrafe zu entziehen, meldet sich Roderich Plattensteiner zur Organisation Todt, die Verteidigungs- und Rüstungsanlagen baut.[21] 1943 kommt es zu seiner erneuten Verhaftung aufgrund seiner Beteiligung an „Arisierungen“ gegen hohe Geldbeträge sowie Urkundenfälschung.[22] Während Gertrauds andere zwei Brüder zur Wehrmacht einrücken, stellt sich der Vater von 1943 bis 1945 als Wandervortragender für die Truppenbetreuung zur Verfügung.[23]


Gertraud Plattensteiner wird nach Kriegsende mehrfach als Zeugin einvernommen und belastet ihre ehemaligen Kollegen schwer. 1947 gibt sie zu Protokoll, dass alle Angehörigen der Zentralstelle wussten, dass die Deportation den Tod bedeutete: Ein Fünftel der Deportierten hätte schon den Transport ins KZ nicht überlebt.[24]


Gertraud Plattensteiner, die zu dieser Zeit als Journalistin arbeitet,[25] heiratet 1956 Dr. Joachim Goldmann.[26] Der ursprünglich aus Posen stammende Industrietechniker macht als Studioleiter beim Bayerischen Rundfunk in München Karriere. Das Paar lebt in München.[27]

[1] PVA, Mitteilung, Juni 2024.

[2] Richard Plattensteiner, Bausteine zu einem Bericht über mein Leben , Wien 1938, 52–53.

[3] Ihre Mutter Leopoldine, genannt Dina, Plattensteiner geb. Sigmund, ist Tochter eines Schneidermeisters aus Hainburg, s. Niederösterreichischer Grenzbote, 21.1.1934, 8.

[4] Jahres-Bericht des Öffentlichen Mädchen-Lyzeums Liste, 1918.

[5] Siehe z. B.: Vortragsabend Dr. Plattensteiner, Neues Wiener Tagblatt, 26.1.1934, 10; Plattensteiner-Vorlesungen in der Tschechoslowakei, Neues Wiener Tagblatt, 20.3.1937, 35.

[6] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 1, unfol. Niederschrift Gertraud Plattensteiner, 25.10.1946. WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 509/55, fol. 33–35. Zeugenvernehmung Gertraud Plattensteiner, 23.10.1951.

[7] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 1, unfol. Zeugeneinvernahme Gertraud Plattensteiner.

[8] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 8881/46, Bd. 1, fol. 361. Niederschrift Gertraud Plattensteiner, 27.5.1947.

[9] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 509/55, fol. 33–35. Zeugenvernehmung Gertraud Plattensteiner, 23.10.1951.

[10] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 245.729. NSDAP-Gauleitung, Fragebogen.

[11] Grundbuch, KG Ober-Döbling, EZ 356. Hausgründer ist Dr. Markus Hayek, Architekt A. Mogyorosy, vgl. Architekten- und Baumeister-Zeitung, 30.1.1910, 79.

[12] Bob Martens und Herbert Peter, Die zerstörten Synagogen Wiens, Wien 2009, 187–196.

[13] ÖStA, AdR, FLD, Zl. 17644.

[14] Karoline Tintner, bild. Künstlerin, geb. Goldschmidt, 16.5.1881, dept. 1.10.1942, KZ Theresienstadt, verst. 25.6.1943, KZ Theresienstadt; deren Töchter Annemarie und Liselotte Tintner, beide geb. 27.6.1910, dept. 1.10.1942, KZ Theresienstadt,

19.10.1944, KZ Auschwitz. Institut Terezinské iniciativy, www.holocaust.cz (abgerufen 23.1.2024).

[15] WStLA, MA 119, NS-Registrierung, 19. Bezirk, Zl. 1955. Meldeblatt.

[16] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 245.729. Begutachtungsbogen, 18.8.1939.

[17] Raimund Plattensteiner, Stammfolge Plattensteiner , Wien 1935.

[18] Roderich Plattensteiner, geb. 11.12.1906, Dresden, best. 29.4.1978.

[19] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 7131/30, 3481/32, 7023/35, 873/37, 2155/38, 985/41.

[20] Betrug an einem Flüchtling, Illustrierte Kronen Zeitung, 18.12.1941, 9.

[21] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 282.780. NSDAP Gauleitung Wien an Kripoleitstelle, 6.1.1943.

[22] BArch Berlin, Reichssippenamt, Sign. R 1509/2905. Schutzpolizei Wien, Bericht, 27.3.1943.

[23] WStLA, MA 119, NS-Registrierung, 19. Bezirk, Zl. 1955. Richard Plattensteiner, 15.6.1945.

[24] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 8881/46, Bd. 1, fol. 361. Niederschrift Gertraud Plattensteiner, 27.5.1947.

[25] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 1, unfol. Niederschrift Gertraud Plattensteiner, 25.10.1946.

[26] Dr. phil. Joachim Bernhard Goldmann, geb. 12.1.1908, Neutomischl (heute: Nowy Tomyśl, Polen).

[27] Who’s Who in Germany, Berlin 1983, Bd. A–L