geb. 3. März 1912, Felsőderna
verst. 26. Dezember 1983[1]
Josef Weiszl wird im damals ungarischen, heute rumänischen Städtchen Felsőderna geboren, wo sein Vater in der Erdölgewinnung arbeitet. Um 1916 kehrt die Familie zurück nach Wien, wo er als jüngstes von vier Geschwistern in Meidling aufwächst. Als der Vater stirbt, ist der Nachzügler acht Jahre alt. Nach der Pflichtschule absolviert er eine zweijährige Handelsschule und tritt 1928 bei der Bugholzfirma Thonet-Mundus als Büroangestellter ein. Er ist früh auf sich allein gestellt, nachdem 1929 auch die Mutter stirbt. Ab 1932 ist Weiszl lange arbeitslos. Erst 1935 kommt er als Verkäufer in der Papierhandlung seiner ehemaligen Schule unter.
Weiszl gehört als Jugendlicher der Sozialdemokratischen Partei an. Um Aufnahme in die NSDAP bewirbt er sich erst 1938. In die SA tritt er gleich nach dem »Anschluss« ein. Im Herbst erfolgen sein Wechsel zu SS und SD und die Aufnahme in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung. Weiszl findet im Innendienst, in der Passabteilung, Verwendung. Diesen Karrieresprung verdankt er seiner verwandtschaftlichen Verbindung zu Wilhelm Höttl, einem leitenden SD-Beamten.
1939 heiratet Weiszl. Seine Frau Pauline Pinter stammt wie er aus Meidling. Ihr Vater arbeitet als Straßenpfleger. Sie selbst ist Hilfsarbeiterin in der Wäscherei Habsburg. Weiszls Posten in der Zentralstelle verhilft den Jungvermählten zu ihrer ersten Wohnung. 1939 tritt Weiszl in die Waffen-SS ein und wird der Sicherheitspolizei zugeteilt. Bald darauf wird er in die Zentralstelle in Prag kommandiert, wo man auf die Erfahrung der Wiener Kollegen gerne zurückgreift. Ab 1940 steht er dem »Umschulungslager« Doppl als Lagerführer vor.
Nach Wien zurückgekehrt, ist Weiszl 1941–1942 maßgeblich an »Aushebungen« beteiligt. Selbst unter dem harten Kern der Scharfmacher fällt der großgewachsene SS-Mann durch seine besondere Brutalität auf. Im Sammellager in der Kleinen Sperlgasse wohnt er den »Kommissionierungen« als Kassier bei und ist für die Abnahme von Wertgegenständen und für Leibesvisitationen zuständig. Bei der Abfertigung von Deportationszügen schlägt Weiszl wahllos auf seine Opfer ein. Später wird er von sich behaupten, Juden nur dann misshandelt zu haben, wenn sie ihm Anlass dazu geboten hätten.
1942, kurz vor der Geburt des ersten Kindes, übersiedeln Weiszls. Die »arisierte« Wohnung gehört einem zwangspensionierten Mitglied der Wiener Philharmoniker, dessen Frau als Jüdin gilt. Die Arbeit im Sammellager ist auch sonst einträglich: Weiszls monatliches Einkommen beträgt nun 400 Reichsmark, das Vierfache seines Gehalts als Handelsangestellter. Nach einer Zwischenstation am RSHA in Berlin ist Weiszl 1943 erneut in Prag, wo er in der Zentralstelle beschäftigt ist und auch Transporte ins KZ Theresienstadt begleitet. Danach folgt er Eichmann nach Paris. Er beteiligt sich im Stab von Brunner I an »Judenrazzien« und gehört der Lagermannschaft in Drancy an. Im Frühjahr 1944 in Lyon leitet Weiszl Einsätze gegen Partisan:innen.
Weiszl wird zu Kriegsende zwar festgenommen, aber schnell auf freien Fuß gesetzt. Im August 1945, kurz vor der Geburt seines zweiten Kindes, kommt es zur erneuten Verhaftung. Er wird an Frankreich ausgeliefert, wo ihn das Militärgericht in Paris 1949 zu lebenslanger Haft wegen Anstiftung und Beihilfe zum Mord sowie Anstiftung und Beihilfe zur Freiheitsberaubung verurteilt. 1952 wird die Strafe in zwanzig Jahre Zuchthaus umgewandelt. Sie endet jedoch Ende 1954 mit Weiszls Entlassung nach Österreich.
Weiszl wird als Spätheimkehrer anerkannt und kommt somit in den Genuss von Fürsorgeleistungen. 1955 bezieht er mit seiner Familie eine neu errichtete Gemeindewohnung. Die österreichische Justiz setzt die weitere strafrechtliche Verfolgung Mitte 1956 aus. 1957 entschließen sich Josef und Pauline Weiszl, zumindest kurzfristig wieder in die Kirche einzutreten, um mit Gottes Segen ihr Eheversprechen zu erneuern.
Josef Weiszls Eltern heiraten 1890 in der Hernalser Vorstadt. Sein Vater, von Beruf Tischlergehilfe, stammt aus Mähren, die Mutter aus Böhmen.[2] Um die Jahrhundertwende übersiedelt die Familie in das damals ungarische, heute rumänische Städtchen Felsőderna, dessen Asphalt- und Erdölgruben Arbeit bieten. Josef, das jüngste von vier Geschwistern, wird hier geboren. Infolge des Ersten Weltkriegs kehrt die Familie um 1916 zurück nach Wien.[3] Als der Vater bald darauf stirbt, ist der Nachzügler acht Jahre alt.
Josef, genannt Joschi, Weiszl wächst in Wien, 12., Meidling auf. Nach der Pflichtschule absolviert er eine zweijährige Handelsschule und tritt 1928 bei der Bugholzfirma Thonet-Mundus als Büroangestellter ein. Er ist früh auf sich allein gestellt, nachdem 1929 auch die Mutter stirbt. Ab etwa 1932 ist Weiszl lange arbeitslos. Erst 1935 kommt er als Verkäufer in der Papierhandlung seiner ehemaligen Schule unter. Deren Besitzerin ist die Schwiegermutter seiner älteren Schwester.[4]
Weiszl, der als Jugendlicher noch der Sozialdemokratischen Partei angehört,[5] fällt in der Verbotszeit wegen nationalen Verhaltens auf.[6] Um Aufnahme in die NSDAP bewirbt er sich erst 1938. In die SA tritt er gleich nach dem „Anschluss“ ein und verbringt den Sommer als Führeranwärter beim Reichsarbeitsdienst.[7] Im November 1938 erfolgen sein Wechsel zu SS und SD und die Aufnahme in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung.[8] Weiszl findet im Innendienst, in der Passabteilung, Verwendung.[9] Diesen Karrieresprung verdankt er seiner verwandtschaftlichen Verbindung zu Wilhelm Höttl, einem leitenden Beamten des SD in der Theresianumgasse.[10] Dessen Bruder ist der Schwager von Weiszls Verlobter Pauline Pinter.[11]
Das Paar heiratet im Februar 1939.[12] Pauline stammt wie ihr Mann aus Meidling.[13] Beide ihrer Eltern sind aus dem Grenzgebiet zwischen Ungarn und dem heutigen Burgenland zugezogen. In ihrer Kindheit arbeitet der Vater als Kutscher, später als Straßenpfleger. Sie selbst ist seit ihrem 20. Lebensjahr in der Wäscherei Habsburg als Hilfsarbeiterin beschäftigt.[14] Weiszls neuer Posten in der Zentralstelle verhilft den Jungvermählten zu ihrer ersten Wohnung in Wien, 12., Steinhagegasse 20.
1939 tritt Weiszl in die Waffen-SS ein und wird der Sicherheitspolizei zugeteilt,[15] was ihn zum Tragen einer Faustfeuerwaffe berechtigt.[16] Bald darauf wird er in die Zentralstelle in Prag kommandiert, wo man auf die Erfahrung der Wiener Kollegen gerne zurückgreift.[17] Ab 1940 steht er dem „Umschulungslager“ Doppl als Lagerführer vor.[18]
Nach Wien zurückgekehrt, ist Weiszl 1941–1942 maßgeblich an „Aushebungen“ beteiligt. Selbst unter dem harten Kern der Scharfmacher fällt der großgewachsene SS-Mann durch seine besondere Brutalität auf. Zeugen beschreiben ihn als den rabiatesten von Eichmanns Männern, der sich damit hervortut, Menschen willkürlich von der Straße aufzugreifen.[19] Im Sammellager in der Kleinen Sperlgasse wohnt er den „Kommissionierungen“ als Kassier bei und ist für die Abnahme von Wertgegenständen und für Leibesvisitationen zuständig.[20] Von diesem Schreckensort sind Fotos erhalten, die die Selbstinszenierung der SS-Männer als „Herrenmenschen“ widerspiegeln. Bei der Abfertigung von Deportationszügen am Aspangbahnhof schlägt Weiszl wahllos auf seine Opfer ein und richtet sie derart zu, dass vor allem ältere Leute auf dem Transport sterben.[21] Später wird er von sich behaupten, Juden nur dann misshandelt zu haben, wenn sie ihm Anlass dazu geboten hätten.[22]
Anfang 1942, kurz vor der Geburt des ersten Kindes, übersiedeln Weiszls nach Wien 12., Steinbauergasse 8. Die „arisierte“ Wohnung gehört einem zwangspensionierten Mitglied der Wiener Philharmoniker, dessen Frau als Jüdin gilt.[23] Weiszl lässt diese so lange festhalten, bis ihr Gatte die Wohnung aufgibt.[24] Seine Auswahl an Möbeln trifft das Ehepaar Weiszl im Warenlager der Vugesta aus beschlagnahmtem jüdischem Besitz.[25] Die Arbeit im Sammellager ist auch sonst einträglich: Weiszls monatliches Einkommen beträgt nun 400 Reichsmark, das Vierfache seines Gehalts als Handelsangestellter.[26]
Nach einer Zwischenstation am RSHA in Berlin ist Weiszl 1943 erneut in Prag, wo er in der Zentralstelle beschäftigt ist und auch Transporte ins KZ Theresienstadt begleitet.[27]
Im Juni 1943 folgt er Eichmann nach Paris. Er beteiligt sich im Stab von Brunner I an „Judenrazzien“ und gehört der Lagermannschaft in Drancy an. Im Frühjahr 1944 in Lyon leitet Weiszl Einsätze gegen Partisan:innen. Danach wechselt er zurück nach Prag.[28]
Weiszl wird zu Kriegsende zwar festgenommen, aber schnell auf freien Fuß gesetzt.[29] Im August 1945, kurz vor der Geburt seines zweiten Kindes, kommt es zur erneuten Verhaftung. Er wird an Frankreich ausgeliefert, wo ihn das Militärgericht in Paris 1949 zu lebenslanger Haft wegen Anstiftung und Beihilfe zum Mord sowie Anstiftung und Beihilfe zur Freiheitsberaubung verurteilt.[30] 1952 wird die Strafe in zwanzig Jahre Zuchthaus umgewandelt. Sie endet jedoch im Dezember 1954 mit Weiszls Entlassung nach Österreich.[31]
Weiszl wird als Spätheimkehrer anerkannt und kommt somit in den Genuss von Fürsorgeleistungen.[32] 1955 bezieht er mit seiner Familie eine neu errichtete Gemeindewohnung. Die österreichische Justiz setzt die weitere strafrechtliche Verfolgung Mitte 1956 aus.[33] 1957 entschließen sich Josef und Pauline Weiszl, zumindest kurzfristig wieder in die Kirche einzutreten, um mit Gottes Segen ihr Eheversprechen zu erneuern.
[1] Friedhof Südwest, Grab 70-10-50.
[2] Pfarre r. k. Hernals, Trauungsbuch, Bd. 36, fol. 145. Eltern: Karl Weiszl (auch: Weissl, Weißl, Weihsl), Karoline geb. Bittner.
[3] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/221717, fol. 1812. Lebenslauf.
[4] Rosina Kuhn, geb. Weiszl, 17.1.1890, Wien, verst. 22.2.1970, Wien.
[5] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 871/55, fol. 71–72. Verhör Josef Weiszl, 3.9.1945.
[6] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 6578. Aktenvermerk, 10.12.1946.
[7] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/221717, fol. 1812. Lebenslauf.
[8] Siehe: Markus Brosch, Täter – die Mitarbeiter der Wiener ‚Zentralstelle für jüdische Auswanderung‘, in: Dieter J. Hecht/Michaela Raggam-Blesch/Heidemarie Uhl (Hg.), Letzte Orte: Die Wiener Sammellager und die Deportationen 1941/42, Wien 2019, 137–149.
[9] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 2, fol. 197. Niederschrift Alfred Slawik.
[10] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 871/55, fol. 237–240. Niederschrift Josef Weiszl, 18.10.1946.
[11] Pauline Christine Weiszl, geb. Pinter, 13.3.1912, Wien, verst. 24.9.1978, Wien.
[12] WStLA, Standesamt Meidling, Familienbuch, Zl. 392/39.
[13] Pfarre r. k. Meidling, Taufbuch, Bd. 61a, fol. 84. Eltern: Stefan Pinter, Maria geb. Mór.
[14] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 871/55, fol. 33–35. Josef Weiszl an Straflandesgericht, 28.1.1946.
[15] Ebd., fol. 85. Meldeblatt.
[16] Ebd., unfol. Waffenschein, ausgestellt 16.9.1939.
[17] Ebd., fol. 237–240. Niederschrift Josef Weiszl, 18.10.1946.
[18] Ebd., fol. 105–106. Zeugeneinvernahme Hermann Riegler, 10.9.1945.
[19] Ebd., fol. 47. Zeugeneinvernahme Emil Gottesmann, 22.1.1946.
[20] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4574/45, fol. 65–66. Niederschrift Josef Weiszl, 3.10.1945.
[21] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 871/55, fol. 95. Zeugeneinvernahme Walter Schwarz, 7.9.1945.
[22] Ebd., fol. 59–62. Niederschrift Josef Weiszl, 31.8.1945.
[23] Prof. Arthur Schurig, Schlagwerker, geb. 27.9.1879, Leipzig, verst. 18.11.1956, Wien; Paula Schurig, geb. 27.9.1882, Biala, verst. 7.6.1958. Vgl. Bernadette Mayrhofer, Drohende Vertreibung der ‚Versippten‘, ‚Mischlinge‘ und ‚Ausländer‘ ohne ‚Ariernachweis‘. www.wienerphilharmoniker.at (abgerufen 4.2.2024).
[24] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 871/55, fol. 15. Abschlussbericht, 14.9.1945.
[25] Ebd., fol. 113d. Vernehmung des Beschuldigten Josef Weiszl, 4.2.1956.
[26] Ebd., fol. 59–62. Niederschrift Josef Weiszl, 31.8.1945. Ebd., fol. 249.
[27] Ebd., fol. 237–240. Niederschrift Josef Weiszl, 18.10.1946.
[28] Ebd., fol. 71–72. Verhör Josef Weiszl, 3.9.1945.
[29] Ebd., fol. 59–62. Niederschrift Josef Weiszl, 31.8.1945.
[30] Ebd., fol. 299–304. Jugement, 8.2.1949. Vgl. Douze tortionnaires et un prêtre dé-nonciateur devant la justice, L’Aurore, 8.2.1949; Une condamnation à mort dans le procès des tortionnaires de Drancy, L’Aube, 9.2.1949; On instruit, on poursuit, on juge…, L’Aurore, 9.2.1949; Wiener Fußballer Oskar Reich in Paris zum Tode verurteilt, Wiener Kurier, 9.2.1949, 8.
[31] Siehe: Eva Holpfer, Die justizielle Verfolgung der Mitarbeiter der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ nach 1945, in: Hecht et al. (Hg.), Letzte Orte.
[32] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 871/55, fol. 111a–113. Vernehmung des Beschuldigten Josef Weiszl, 3.2.1956.
[33] Ebd., nach fol. 347. LGfSS an PVA, 29.6.1971.